7. Mai 2021

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Den Teller (nicht mehr) leer essen müssen.

Von Ilga Pohlmann

Zum Mitnehmen aus der Folge
In dieser Folge spreche ich über einen der Zwänge, die häufig hinter Emotionalem Essen liegen. Es geht um den Zwang, immer aufessen zu müssen und nichts auf dem Teller zurücklassen zu können.

Dabei handelt es sich oft um Regeln, die wir in der Kindheit gelernt haben, die ganz oft mit Wut, Schuld und Scham verbunden sind. Gefühle, die nicht ganz leicht sind und schnell mit Essen unterdrückt werden.


Podcast-Transkript

Über den Zwang, immer aufessen zu müssen

Heute möchte ich mit euch über das Thema “Teller leer essen” sprechen, weil mir dieses Thema immer wieder unterkommt. Das ist ein sehr häufiges Problem bei vielen Leuten. Dein Teller ist ganz voll, du isst und eigentlich bist du jetzt schon relativ satt. Aber auf deinem Teller ist noch was drauf und anstatt das Besteck einfach zur Seite zu legen, stopfst du dir den Rest noch rein. Viele Mamis erzählen mir davon, dass sie sich nach dem Essen noch die Teller der Kinder vornehmen und schnell die Reste aufessen, statt die Reste zu sammeln, sie in den Kühlschrank zu stellen oder sie auch wegzuwerfen. 

Warum ist das so? Warum haben viele diesen Zwang aufzuessen? Ist das, weil ihr Vielfraße seid? Was spielt da eine Rolle?

Wie war es damals?

Dann machen wir doch gerade mal eine Reise in eure Vergangenheit. Denkt mal darüber nach: Wie war denn das? Was habt ihr denn als Kind so zu hören bekommen, wenn euer Teller noch nicht leer war? 

Es gibt einige Geschichten, die ich sehr gruselig finde. Manche Leute erzählen mir, dass sie gerade am Wochenende manchmal ein oder zwei Stunden nach dem Mittagessen noch am Tisch sitzen mussten, weil ihr Teller nicht leer war und sie ihr Gemüse nicht gegessen haben, und dass das eine wirklich strenge Erziehungsmethode von den Eltern war. Oder hat man euch vielleicht erzählt, dass es morgen schlechtes Wetter geben wird, wenn ihr euren Teller nicht leer esst? Könnt ihr euch vorstellen, was das für eine krasse Verantwortung ist? Oder vielleicht hat man euch auch mit den Kindern in Afrika gedroht, dass die Kinder dort nicht genug haben? Vielleicht haben sich dadurch in eurem Kopf die Bilder von hungernden Kindern mit eurem noch nicht leeren Teller verknüpft. Wenn ihr nicht aufesst, verhungern die Kinder dort. Oder: Weil sie verhungern, könnt ihr auf keinen Fall Essen verkommen lassen!

Denk mal darüber nach, wie das so in deiner Kindheit war. Meiner Erfahrung nach sind das einfach sehr starke Konditionierungen. Wenn euch damals so anstrengende Gefühle vermittelt worden sind, die jedes Mal wieder in euch hochpoppen, wenn ihr Reste auf dem Teller seht, die nicht aufgegessen worden sind, dann wird es auch sehr schwierig, das Essen liegen zu lassen. Weil dieses unangenehme Gefühl, diese Verantwortung, die auf euch lastet, dieser Ärger, den ihr damals gefühlt habt, oder auch die Situation, in der ihr euch ungerecht behandelt gefühlt habt, euch hilflos gefühlt habt, all diese Gefühle können in dem Moment wieder getriggert werden und dafür sorgen, dass ihr schnell aufesst, um mit dem Thema schnell durch zu sein. 

Da spielt es keine Rolle, ob ihr noch körperlichen Hunger empfindet. Überhaupt nicht. Es geht einzig und allein darum, dieser Situation so schnell wie möglich zu entfliehen und einfach kurzen Prozess zu machen und den Teller leer zu machen. Das habt ihr ja gelernt bei dieser Erziehung. 

Das ist euch aber nicht passiert, weil eure Eltern es böse mit euch meinten oder weil sie irgendwelche bösen Hintergedanken hatten. Nein, das ist meistens passiert, weil eure Eltern entweder unangenehme Situationen mit Essen als Kinder erlebt haben oder selbst von Menschen erzogen worden sind, die diese Situationen hatten. Ich spreche hier von den Kriegs- und Nachkriegsgenerationen. Von den Menschen, die vielleicht noch am eigenen Leibe erfahren haben, wie schlimm es ist, Hunger zu haben, und wie wichtig es ist, jeden Bissen wertzuschätzen und bloß nicht mit dem Essen unachtsam umzugehen. 

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Immer Aufessen wird im Überfluss zum Problem

Es ist ja auch wirklich ehrenwert, Essen zu achten und auf keinen Fall wegzuwerfen oder damit zu spielen. Aber wir sind im Moment in einer ganz anderen Situation. Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Es ist eigentlich immer mehr da, als wir brauchen. Abgesehen von Leuten, die wirklich weniger Geld haben, wo z.B. Kinderarmut eine Rolle spielt. Furchtbar. Ich hoffe, dass die meisten, die hier zuhören, nicht mit diesem Problem konfrontiert worden sind. Ich hoffe, dass die meisten, die hier zuhören, ausreichend Geld zur Verfügung und Essen im Überfluss haben. Wenn man in dieser Überflusssituation ist, ist es schwierig, alte Konditionierungen in sich zu haben, die sagen, dass man unbedingt alles aufessen muss, was da ist. 

Bild von: Bethany Newman, Unsplash

Es gibt auch noch eine andere Konditionierung, die sagt, dass man den Belag nicht ohne das Brot isst. Viele Kinder spüren, dass sie gar nicht so gern viel Brot essen möchten, und essen den Belag zuerst. Einerseits weil sie ganz gerne getrennt essen, weil sie sich noch an diese ganzen Kombinationen von Essen gewöhnen müssen und gerne einzelne Geschmackserlebnisse haben, aber andererseits spüren viele von ihnen auch intuitiv, dass ihnen so viel Brot gar nicht gut tut. Dann werden sie aber von den Eltern und anderen Erwachsenen quasi dazu überredet, dass, wenn sie zuerst den Käse oder die Wurst von dem Brot essen, das Brot auf jeden Fall auch noch essen müssen. Die Erwachsenen sagen, dass es sich nicht gehört, den Belag zuerst zu essen und dann erst das Brot, weil das Brot ja dann meistens hinterher liegen gelassen wird. 

Regeln halten uns zurück

Mit dieser Konditionierung fangen die Erwachsenen dann an, den Kindern ein schlechtes Gewissen einzureden und ihnen klar zu machen, dass das so nicht geht. Das führt dazu, dass man sich in der Erwachsenenwelt nicht mehr traut, sich zu erlauben, den Belag auch ohne Brot zu essen oder sich richtig viel Belag aufs Brot zu packen, also mehr von dem zu essen, was oben drauf ist. Mehr Quark, mehr Käse oder mehr Salami, als das Brot dick ist. Auch da haben viele Leute Regeln. 

All diese inneren gelernten Regeln, wenn wir sie nie in Frage stellen, hindern uns daran, zu beobachten und zu fragen: Was tut mir denn wirklich gut? Funktioniert das mit dem vielen Brot eigentlich? Will ich lieber was Anderes essen? Wir schaffen es dann nicht, wirklich auf unsere Bedürfnisse zu achten. Vielleicht tut es mir ja wirklich besser, wenn ich nur die Wurst mit Gemüse esse oder wenn ich nur den Käse mit was Anderem esse und das Brot weglasse. 

Unser Brot hat sich in den letzten 30 oder 40 Jahren qualitativ verändert, aber diese Regeln nicht. Und es gibt viele Leute, die mittlerweile spüren, dass ihnen so viel Brot nicht gut tut, die aber nichts an ihrer Ernährung ändern können, weil im Hintergrund diese Programme ablaufen und die Regeln gelten, die sie gelernt haben. 

Wie oft höre ich: “Ja, aber ich kann am Tag doch nicht zwei Mal warm essen!” Das ist auch so eine schöne Regel. Wisst ihr, dass wir hier in Deutschland Abendbrot erst seit ungefähr 100 Jahren essen? Das hat mich total erstaunt. Ich dachte, das ist so ein ganz althergebrachtes Ding. Eine typisch deutsche Sache. 

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Aber nein, das ist erst in der Zeit der Industrialisierung in unsere Gesellschaft eingezogen. Als die Menschen angefangen haben, in größeren Fabriken zu arbeiten, gab es dort manchmal warmes Essen. Und da sie also mittags warm gegessen hatten, konnte man abends ein schnelles Abendbrot machen. Da ging es natürlich auch einfach darum, dass die Leute nach der Arbeit fertig waren und ein Brot zu schmieren war einfacher als ein ganzes Gericht zu kochen. Und irgendwie hat es sich verselbstständigt, dass, wenn man zwei Mal warm isst, man dick wird, oder dass das nicht richtig ist, dass das nicht gut ist. Und dann wird sich an diese Regeln eben auch gehalten. Ich muss manchmal echt ein bisschen drüber lachen, aber es wird gar nicht mehr in Frage gestellt. Obwohl man merkt, dass irgendwas nicht funktioniert, werden die Regeln weiter eingehalten. 

Das ist oft so, weil wir die Regeln als kleine Kinder gelernt haben. In den ersten sechs Jahren ist unser Gehirn wie ein Schwamm. Es nimmt quasi alles unkommentiert auf und das Aufgenommene setzt sich da auch fest. Und was wir in dieser Zeit als Regeln lernen, das bleibt uns für unser Leben erhalten, außer wir stellen es irgendwann im Erwachsenenalter in Frage und gucken, ob wir das nicht doch ändern möchten. 

Welche Regeln hast du gelernt?

An dieser Stelle möchte ich dich nochmal einladen zu einer Reise in deine Kindheit. Forsche mal nach. Wir war denn damals das Essen am Tisch? Welche Regeln hast du da gelernt? Was wurde dir vorgeschrieben? In welchen Situationen entsteht bei mir Scham? Oder ein schlechtes Gewissen? Was gehört sich nicht, es zu tun? Welche Verhaltensweisen lösen bei dir Gefühle aus, die schwer zu ertragen sind, so dass du dich gleich fügst und den alten Regeln folgst?

Ich kann mich zum Beispiel an ein starkes Schuldgefühl erinnern, wenn bei mir Lebensmittel schlecht geworden sind. Und klar ist es nicht super, wenn Lebensmittel schlecht werden und man sie wegwirft, aber man muss trotzdem kein Schuldgefühl tragen. Das Schuldgefühl hat eher dafür gesorgt, dass ich mehr esse, damit das Essen nicht schlecht wird. Aber ohne das Schuldgefühl schätze ich das Essen nicht weniger wert und werfe nicht mehr Essen weg.

Versteht ihr? Das unangenehme Gefühl hat eher dafür gesorgt, dass ich mehr esse, aber es hat mich nicht davor beschützt, dass ich Essen schlechter behandele. Das sind zwei Paar Schuhe. 

Das eine ist mein ethisches Verhalten, meine Auffassung, dass ich Essen achte und dass ich es nicht verschwende. Und das andere war mein emotionales Essverhalten. D.h., dass ich immer gegessen habe, wenn ein Gefühl hochkam, das ich nicht fühlen wollte. Deshalb bringt das schlechte Gewissen überhaupt nichts, um das Essen besser wertzuschätzen. Es bringt nur mit sich, dass ihr mehr esst und dass euer Problem größer wird. Deswegen kann man sich in meinen Augen von diesen negativen Gefühlen ruhig trennen. Ihr werdet euch deswegen nicht schlechter dem Essen gegenüber verhalten. Diese negativen Gefühle sind kein Schutz davor, dass ihr Essen verschwendet. Das macht also in der Form gar keinen Sinn.

Schuld und Scham

Beobachtet mal, wie die Situation zu Hause ist. Wie fühlt sich das an, wenn du den Teller mit den Essensresten von deinem Kind auf dem Tisch siehst und du dir einfach mal überlegst: “Heute esse ich das nicht. Heute mache ich etwas Anderes damit.” Was für Gefühle kommen dann in dir hoch? Bleib da mal achtsam und beobachte das mal. Und frag dich mal, ob das jetzt wirklich dein Appetit oder dein Hunger ist, der dich antreibt, diese Reste aufzuessen. Es ist spannend, da mal genau einzutauchen und zu gucken, was sich da für Regeln in deinem Kopf festgesetzt haben, die dich durch den Alltag bringen, und ob die in unserer heutigen Situation wirklich noch so angemessen sind. 

Die heftigsten Gefühle, die dich in diesem Bereich wahrscheinlich beeinflussen können, sind Schuld und Scham. Wenn du auf diese Gefühle triffst, dann kann ich dir nur empfehlen, dich damit auseinanderzusetzen und zu gucken, ob du sie lösen kannst. 

Ich persönlich mache das in Einzelsitzungen oder in meinen Programmen mit der Klopftechnik, weil ich finde, dass die Klopftechnik die schnellste Form ist, um diese Konditionierungen, also diese erlernten Programme zu lösen und ohne sie weitermachen zu können. 

Bild von Louis Hansel, Unsplash

Aber es gibt ganz bestimmt noch andere Möglichkeiten, sich von diesen inneren Programmen zu lösen. Ich habe zum Beispiel auch super gute Erfahrungen mit Hypnose gemacht. Aber schon alleine sich der ganzen Sache bewusst zu werden und den Zusammenhang zu erkennen, ist schon ein großer Teil der Lösung. Zu sehen, dass du den Teller leer essen musst, weil du damals an vielen Tagen länger am Tisch sitzen musstest und dort extrem viel Wut und Verzweiflung und Ohnmacht empfunden hast, und dass genau diese Gefühle getriggert werden, wenn du den Teller mit den Resten siehst. Zu erkennen, dass diese  dich dann dazu bringen, dass du die Reste aufisst. Allein diese Erkenntnis ist wahrscheinlich 80% der Lösung, weil du dann nämlich genau weißt, an welcher Stelle du arbeiten kannst und an welcher Stelle du es in Ordnung bringen kannst. Bevor dir das klar geworden ist, hast du halt nur gedacht: “Okay, ich bin halt ein Vielfraß.” Aber solche nicht liebevollen Gedanken bringen uns nicht weiter. Sie bringen uns quasi immer tiefer in das Problem rein. Wenn man rauskommen möchte, dann geht es eher in die Richtung, wie man liebevoller mit sich umgehen kann. Wir haben uns alle noch nicht in die Lösung, in ein gutes Essverhalten, in einen schlanken Körper gehasst. Das hat wahrscheinlich für keinen richtig gut funktioniert. Das klappt vielleicht, ist aber mit extrem viel Anstrengung und Kampf verbunden.

Das waren meine Gedanken zum Thema “Teller leer essen” und ich hoffe, dass sie dich in irgendeiner Weise ein bisschen näher an die Problemlösung heranbringen, dass sie dich vielleicht dazu bringen, mal in eine andere Richtung zu denken und an anderen Stellen zu suchen, ob dort vielleicht der Grund für dein Essverhalten vergraben liegt. Ich wünsche mir zumindest, dass es dich ein Stück weiterbringt. 

Wie gesagt: Sei achtsam und fühl in dich rein, was in dir vorgeht, wenn du den Teller unbedingt leer essen musst. 

Hab einen schönen Tag 🙂

Wie ich dich unterstütze

Wenn du mehr über diese emotionalen Verknüpfungen zum Essen lernen willst oder etwas unternehmen möchtest, um das Emotionale Essen zu stoppen, kann ich dir anbieten, dass du zu mir ins Einzelgespräch kommst und wir gemeinsam daran arbeiten. Dann zeige ich dir, wie du das in Ordnung bringen kannst. Oder du kommst in mein Endlich frei essen!-Programm.

Wenn du fühlst, dass dich meine Unterstützung ruft, dann herzlich willkommen!


Bild oben von Richard Bell, Unsplash

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