13. Oktober 2022

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Emotionales Essen und Rückfälle

Von Ilga Pohlmann

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Rückfälle sind – ganz im Gegensatz zu unserer Einstellung – der Schlüssel zur Tür aus der Sucht. Wenn wir sie annehmen und lernen, ihre Zeichen zu verstehen, führen sie uns auf den Weg in die Freiheit. Der erste wichtige Schritt dahin ist zu verstehen, dass sie nicht unser Feind sind.

Heute möchte ich über ein ganz wichtiges Thema schreiben, wenn man sich auf den Weg raus aus dem Emotionalen Essen begibt: Rückfälle.

Endlich einfach nur  "normal" essen!

Für die meisten von euch ist das wahrscheinlich ein unangenehmes Thema. Und das war es für mich eine lange Zeit auch! Denn wir wollen sie ja einfach nur loswerden, diese furchtbaren Rückfälle. Sie sind es ja, weshalb es nicht klappt, das Emotionale Essen zu stoppen, und du einfach noch drin steckst! Hättest du keine Rückfälle mehr, wäre endlich alles geregelt. Du wärst geheilt und könntest endlich (wieder) "normal" und so "wie alle andern" auch essen. Das wär sooo schön!

"Warum habe ich bloß immer wieder Rückfälle?"

Aber vielleicht hast du gerade das Gefühl, von der Heilung meilenweit entfernt zu sein. Vielleicht steckt du gerade wieder in einem dicken Rückfall, bist frustriert und fragst dich, wie es immer und immer wieder dazu kommen kann. Obwohl du dich doch wirklich sehr anstrengst und so bemühst?

Oh, ich kann dich so gut verstehen ❤️

Ich kann mich nämlich selbst noch gut an diese Zeit erinnern.

Am schlimmsten waren die Momente nach den Rückfällen. Und das war bei mir in den Spitzenzeiten täglich der Fall. Oft war ich den Vormittag über noch "vernünftig", aber spätestens am Nachmittag war es dann so weit, dass ich gegen meine Regeln verstoßen habe.

Ich war wütend und enttäuscht von mir selbst.

Das Bedrückendste daran waren wahrscheinlich die Enttäuschung über mich selbst und die Selbstvorwürfe. WARUM – verdammt nochmal – hatte ich es wieder nicht geschafft!? Es war einfach unglaublich. Ich verstand mich und mein Verhalten selbst nicht.

Ich hatte mir doch vorgenommen, dass ich jetzt endlich durchstarte und ordentlich esse. Warum blieb ich mir nicht einfach treu? Ich fühlte mich wie eine komplette Versagerin.

Dazu kam der Kampf mit den Kilos und meine vom Zucker vernebelten Gedanken ... insgesamt eine Situation, die meinem Selbstwert sehr schadete. Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich mich damals nicht besonders mochte.

So wollte ich nicht weiter machen! Ich musste den Weg raus aus diesem Labyrinth finden!

kjlj

Die Umkehrung: Die Rückfälle waren meine Hilfe!

Auch wenn du es jetzt nicht glauben magst: Es waren hauptsächlich die Rückfälle, die mich mit der Zeit aus der Esssucht geführt haben. Sie haben mir den Weg gezeigt. Dafür war aber wichtig, dass ich zwei Punkte verinnerlicht hatte. Wichtig war: 
-> Das Verständnis, warum Rückfälle passieren.

Rückfälle sind eine Hilfe, ein Beschützer, eine Möglichkeit, dich vor etwas zu bewahren, was du gerade nicht fühlen kannst. Sie sind deine Lösung für ein überforderndes Problem.

-> Die Akzeptanz, dass Rückfälle keine Schwäche der Willenskraft sind.

Rückfälle passieren immer aus einem guten Grund und geben jedes einzelne Mal die Möglichkeit, wieder zu dir zurückzufinden. Wenn wir offen dafür sind und nicht den Selbstvorwürfen zuhören, liefern sie uns Antworten, die uns aus der Sucht führen.

Rückfälle sind kein Versagen.

Rückfälle sind also eigentlich eine Hilfe. Aber in unserer Gesellschaft sehen wir sie als etwas Negatives. Wir verbinden sie mit Versagen. Und überhaupt gilt Sucht im Allgemeinen als ein Makel, dem man einfach nicht zu verfallen hat.

Dabei gehören Rückfälle – oder auch Misserfolge – im Leben einfach dazu. Kennst du das Zitat von Gabby Bernstein? Hindernisse sind Umwege in die richtige Richtung  – So ähnlich ist es auch mit Rückfällen.

Der Weg aus einer Sucht führt über die Antworten, die wir aus den Rückfällen erfahren. Rückfälle sind Teil der Heilung.

"Manchmal wird dein höheres Selbst dich anleiten, Fehler zu machen, damit du daraus lernen kannst." – Gabby Bernstein


Probiere es mal so:

Ich möchte dir eine andere Perspektive aufzeigen und dir dafür eine kurze Aufgabe geben.

--> Halte mal kurz inne und denk an deinen letzten Rückfall.

Und lass uns mal das Wort Rückfall streichen und es durch Vorfall ersetzen.

Überleg einmal, was kurz vor oder bei deinem letzten Vorfall passiert ist? Wie hast du dich gefühlt? Wie war dein Tag? Hattest du dich gestritten und warst traurig? Oder warst du unglaublich müde? Oder hast du dich allein gefühlt und brauchtest Trost?

Was war VOR deinem Rückfall los?

Ich bin mir sicher, dass irgendetwas vorgefallen ist, das dich – bewusst oder unbewusst – so aus der Bahn geworfen hat, dass du zu deiner Lösung Essen greifen musstest.

Es kann sein, dass es dir gar nicht so leicht fällt, diesen Grund herauszufinden.

Das liegt in der Natur der Sache: In dir drin arbeitet alles daran, dass du eben nicht mit diesem Grund konfrontiert wirst, da er dich an Gefühle erinnert, denen du eigentlich nie wieder ausgesetzt sein wolltest. Das Emotionale Essen ist wie ein Beschützer vor diesen Gefühlen.

Es ist auch erst mal gar nicht tragisch, wenn du den Grund nicht erkennen kannst. Aber fang langsam an, den Vorfall als Zeichen zu sehen, dass dir etwas nicht gut getan hat.

Mitgefühl für dich selbst

--> Versuch dein Herz – für dich! – zu öffnen und dir vielleicht zu sagen:

"Danke, dass du mir etwas zeigen willst. Ich verstehe es noch nicht, aber ich weiß jetzt, dass es einen guten Grund für den Vorfall gibt."
oder:
"Liebes, kein Wunder, dass das heute passiert ist. Nach all dem, was du erlebt hast. Und danke, dass du mich mit dem Essen über Wasser hältst, bis ich eine bessere Lösung gefunden habe!"

Wenn du Dankbarkeit empfindest, kannst du an den Selbstvorwürfen vorbeischauen und nicht in dieses Gedankenkarussell einsteigen, das sowieso nur dafür sorgt, dass es weitere Essanfälle gibt. ("Jetzt ist es sowieso egal für heute!")

Die Angst vor dem Rückfall ...  kann gehen.

Und wenn das nicht passiert, kann die Angst vor dem Scheitern langsam gehen. Wenn du nicht mehr hart gegen dich urteilst, verliert der Vorfall seinen Schrecken.

Und nein, das Ergebnis wird nicht sein, dass du noch häufiger rückfällig wirst, denn wenn du lernst, liebevoller mit dir umzugehen, werden die Situationen, in denen du das Essen als Lösung benötigst, seltener werden.
 

Nutze den Vorfall so als Möglichkeit, dich kennen zu lernen, und nicht, um dich fertig zu machen.

Du hast etwas Besseres verdient. Du hast eine liebevolle Ansprache – auch und gerade von dir selbst – verdient, du hast Unterstützung und Mitgefühl verdient.

Du bist es wert, dich ernst zu nehmen und achtsam zu schauen, warum du das Essen (noch) brauchst. 

--> Und gib dir Zeit! Es ist eine Reise. 🙂

Wachstum ist nicht konstant.
Heilung ist nicht gradlinig.
Fortschritt nicht linear.

Hier findest du weitere wichtige Infos zu dem Thema, die dir weiter helfen können:

Liebes, bleib dran. Ich glaub an dich. 💛


Bild oben von Krzysztof Hepner, Unsplash


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